Risikoprodukt Zwiebelmettwurst

Dr. Alfred Friedrich, CVUA Stuttgart; Dr. Annemarie Sabrowski, CVUA Freiburg; Dr. Hans Layer, CVUA Sigmaringen; Dr. Martin Lohneis, CVUA Karlsruhe

 

Betrachtet man die Lebensmittel, die im Verlauf des Jahres 2012 von den Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern Baden-Württembergs aus mikrobiologischen Gründen als „gesundheitsschädlich“ beanstandet werden mussten (siehe Infokasten), so fällt auf, dass Zwiebelmettwurst in diesem Zusammenhang wiederholt aufgeführt wird. Dreimal waren Zwiebelmettwürste mit Salmonellen kontaminiert, einmal wurde Listeria monocytogenes in gesundheitsschädlicher Konzentration nachgewiesen, und in einem weiteren Fall wurden VTEC/EHEC-Keime aus der Wurst isoliert. Da Zwiebelmettwurst als verzehrfertiges Lebensmittel vor dem Genuss nicht mehr durcherhitzt wird, werden krankmachende Keime nicht abgetötet. Nach dem Verzehr der Zwiebelmettwurst können diese Keime in Menschen ihre krankmachende Wirkung entfalten. Die 5 beschriebenen Zwiebelmettwürste wurden deshalb alle als gesundheitsschädlich beurteilt.

Foto: Frische Zwiebelmettwurst.

Abb. 1: Frische Zwiebelmettwurst

Lebensmittel, die 2012 aus mikrobiologischen Gründen als gesundheitsschädlich beanstandet wurden

Gesundheitsschädliches AgensBetroffenes Lebensmittel
Salmonella spp.Zwiebelmettwurst
Salmonella spp.Hackfleisch gemischt
Salmonella spp.Hackfleisch gemischt
Salmonella spp.Zwiebelmettwurst
Salmonella spp.Hackfleisch gemischt
Salmonella spp.Ananas-Sahne-Torte
Salmonella spp.Flüssigei
Salmonella spp.Quarkmasse
Salmonella spp.Zwiebelmettwurst
Salmonella spp.Pfefferbeißer
L. monocytogenesThunfisch
L. monocytogenesDöner Kebap
L. monocytogenesFleischwurst geschnitten
L. monocytogenesMelonen-Mix
L. monocytogenesMelonen-Mix
L. monocytogenesLeberknödel
L. monocytogenesZwiebelmettwurst
L. monocytogenesThunfisch
VTEC/EHECHackfleisch gemischt
VTEC/EHECVorzugsmilch
VTEC/EHECRinderhackfleisch
VTEC/EHECZwiebelmettwurst
Bacillus cereus / CereulidTofu mit Chili
Bacillus cereus / CereulidFleisch mit Gemüse, gegart
Bacillus cereus / CereulidRettichsalat
NorovirenKarottensalat
NorovirenKarottensalat
Staphylococcus aureusRinderleber
Staphylococcus aureusHähnchenfleisch
Campylobacter, thermophileBarbarie Entenfilet
Campylobacter, thermophileEntenbrust eingelegt

Eine Lebensmittelvergiftung durch Salmonellenführt in der Regel 12 bis 36 Stunden nach dem Verzehr des Lebensmittels zu Symptomen wie Kopfschmerz, Unwohlsein, Erbrechen, Leibschmerzen, leichtes Fieber und Durchfall. Die Schwere der Erkrankung ist bei Kleinkindern und alten Menschen am ausgeprägtesten.

 

Foto:Salmonellen auf Gassner-Nährboden.

Abb. 2: Salmonellen auf Gassner-Nährboden

 

Verotoxinbildende Escherichia coli (VTEC/EHEC) können beim Menschen unter Umständen schwere Krankheitsbilder hervorrufen. Hierzu zählen schwere blutige Durchfallerkrankungen sowie in Einzelfällen das lebensbedrohliche hämolytisch-urämische Syndrom (HUS), das unter anderem durch akutes Nierenversagen gekennzeichnet ist und insbesondere bei Kleinkindern unter fünf Jahren auftritt. VTEC/EHEC-Keime kommen natürlicherweise im Magen-Darm-Kanal von Wiederkäuern (Rind, Ziege, Schaf, Wild) vor und können über Kontaminationen bei der Schlachtung, Zerlegung und/oder Verarbeitung in das Produkt gelangen.

 

Auch Listeria monocytogenes ist als Auslöser schwerwiegender lebensmittelbedingter Erkrankungen bekannt. Im Vergleich zu Salmonelleninfektionen ist die Listeriose zwar eine eher seltene Erkrankung, allerdings weist sie eine hohe Sterblichkeitsrate von 20 % auf, insbesondere bei gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie zum Beispiel älteren Menschen. Bei immunkompetenten Patienten verläuft die Infektion meist symptomlos oder mit leichter, grippeähnlicher Symptomatik. Dagegen können die Erreger bei Patienten mit Abwehrschwäche schwere Infektionen (v. a. Sepsis, Meningoenzephalitis) verursachen. Die Listeriose während der Schwangerschaft kann zum Abort oder konnataler Listeriose führen.

 

Foto: Listeria monocytogenes auf ALOA-Nährboden.

Abb. 3: Listeria monocytogenes auf ALOA-Nährboden

 

Zwiebelmettwurst, nicht immer ein sicheres Lebensmittel

Die Zwiebelmettwurst ist eine schnellgereifte Rohwurst. Sie wird während des Herstellungsprozesses keiner Erhitzung unterworfen und gelangt häufig bereits nach 24-stündiger Reifezeit in den Verkehr. In dieser kurzen Zeit ist keine vollständige Reifung, einhergehend mit der Absenkung des pH-Wertes, möglich. Rohwurst enthält stets eine erwünschte dominierende Reifungsflora, die meist bei der Herstellung als sog. Starterkultur zugesetzt wird. Sie besteht überwiegend aus säurebildenden Lactobazillen und Mikrokokken, deren Aufgabe es ist, andere unerwünschte, möglicherweise krankmachende Keime zu verdrängen. Durch die Vermehrung und Stoffwechselaktivität der Starterkulturen wird D-Milchsäure gebildet, die zu einer pH-Wert-Absenkung führt. Besonders gram-negative Keime wie E. coli, EHEC oder auch Salmonellen werden durch den sinkenden pH-Wert gehemmt und schließlich im weiteren Verlauf der Rohwurstreifung abgetötet. Bei der schnellgereiften Zwiebelmettwurst reicht die kurze Reifezeit für die Starterkulturen oft nicht aus, um die volle Schutzwirkung gegenüber pathogenen Mikroorganismen zu entfalten. Listerien sind weniger empfindlich gegenüber niedrigeren pH-Werten und können deshalb bei der Rohwurstreifung relativ lange überleben.

Die Gefahr, dass sich noch lebende, krankmachende Erreger wie Salmonellen oder VTEC/EHEC in unzureichend gereifter  Zwiebelmettwurst befinden, ist groß. Am größten ist die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens von Listeria monocytogenes. Dies haben auch unsere Untersuchungen im Jahr 2012 wieder aufgezeigt (s. Tabelle).

 

Tabelle: Ergebnis der mikrobiologischen Untersuchung von Zwiebelmettwürsten 2012
Anzahl der untersuchten Zwiebelmettwürste
90
in Prozent:
Anzahl der beanstandeten Zwiebelmettwürste
35
38,9%
davon beanstandet wegenListeria monocytogenes
19
21,1%
 Salmonellen
3
3,3%
 VTEC/EHEC
1
1,1%
 Reifungsflora
10
11,1%
beanstandet aus anderen Gründen (z.B. Kennzeichnung)
2
2,2%

 

Aus der Tabelle ergibt sich, dass 33 von 90 Zwiebelmettwürsten beanstandet werden mussten, weil die Reifungsflora mit ihrer Schutzwirkung nicht oder unzureichend ausgeprägt war. In 23 Würsten, das heißt in jeder 4. Wurst, waren lebende pathogene Keime nachweisbar: Listeria monocytogenes, Salmonellen oder VTEC/EHEC.
Der Nachweis von Salmonellen (3 Fälle) und VTEC/EHEC (1 Fall) führte immer zur Beurteilung der betroffenen Zwiebelmettwurst als „gesundheitsgefährdend“ und zur Veranlassung von Maßnahmen durch die örtliche Lebensmittelüberwachungsbehörde.
Listeria monocytogenes konnte in besonders vielen Zwiebelmettwürsten nachgewiesen werden. Mehr als jede 5. Wurst (19 von 90 = 21,1%) enthielt diesen pathogenen Keim. Die Beurteilung ist in diesem Fall abhängig von der nachgewiesenen Erregerzahl.
Eine Zwiebelmettwurst wurde als gesundheitsschädlich beurteilt, weil Listeria monocytogenes-Keime in einer Konzentration von über 100 KbE/g nachgewiesen wurden.
Bei den anderen 18 Würsten war Listeria monocytogenes nur qualitativ im Anreicherungsverfahren nachweisbar und das Ergebnis der quantitativen Untersuchung lag unter 100 KbE/g oder unter der Nachweisgrenze (NG=10 KbE/g). Auch diese Befunde weisen auf ein nicht unerhebliches Risikopotential der Zwiebelmettwürste hin. Sie wurden unter Hinweis auf mögliche hygienische Schwachstellen im Herstellungsprozess beanstandet.

 

Foto: Frische Zwiebelmettwurst.

Abb. 4: Frische Zwiebelmettwurst

Fazit

Nach unseren Untersuchungen befinden sich in jeder 4. Zwiebelmettwurst pathogene Keime. Wie in den Vorjahren mussten auch 2012 mehrere Zwiebelmettwürste als gesundheitsschädlich für den Menschen beanstandet werden. Jeder Verbraucher sollte für sich selber abschätzen, ob er die mit dem Genuss von Zwiebelmettwürsten verbundenen gesundheitlichen Risiken tragen möchte. Wer ein geschwächtes Immunsystem hat und eine solche Wurst verzehrt, sollte sich der möglichen Gefahren besonders bewusst sein. Schwangeren ist vom Verzehr von Zwiebelmettwurst unbedingt abzuraten.

 

Bildernachweis

CVUA Stuttgart.

 

 

Artikel erstmals erschienen am 14.03.2013